Churn Prevention − Kundenabwanderung verhindern
15 Juni 2020 | von Stefan Graetzer
Kunden kommen, Kunden gehen. Alles in unserer Welt hat einen Anfang und ein Ende, und so gehen auch Kundenbeziehungen irgendwann zu Ende. So ist es leider, obwohl natürlich der Wunsch besteht, durch entsprechende Maßnahmen, eine Kündigung abzuwenden. Für solche Maßnahmen gibt es einen Namen:
Churn Prevention
Der Begriff leitet sich aus dem Englischen von den Wörtern „Change“ und „Turn“ ab. Diese bedeuten „Wechsel“ und „Abkehr“. Das heißt, der Kunde beendet möglicherweise nicht nur die Kundenbeziehung, oft wechselt er auch noch zur Konkurrenz. Dies gilt es zu verhindern, oder wenn möglich zu erschweren. Wie Churn Prevention im Einzelnen funktioniert, möchte ich in diesem Beitrag schrittweise aufzeigen.
Zunächst berechnet man mithilfe von Predictive Analytics einen Score, der ein Maß für die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung repräsentiert. Steigt dieser Score über einen bestimmten Schwellenwert, sollten Präventionsmaßnahmen folgen, um die Kundenbeziehung für eine weitere Periode zu sichern. Meistens geschieht dies kurz bevor die Vertragsbeziehung gekündigt werden könnte.
Ein Teil der Kunden, die sonst gekündigt hätten, können auf diesem Weg von der Kündigung abgehalten werden. Besonders dann, wenn man die Gruppe der Kunden erwischt, die ernsthaft kündigen wollen, sich aber durch die Intervention umstimmen lassen.
In unserem Beispiel werden mit der Predictive Analytics Methode Profiling und anschließendem Scoring sogenannte Lookalikes gesucht und gefunden. Diese werden dann mit entsprechenden Präventionsmaßnahmen bedacht.
Schritt 1: Analysegruppe definieren
Beginnen wir damit, eine geeignete Analysegruppe zu ermitteln. Da es sich in unserem Beispiel um ein Abo-Modell im Verlagswesen handelt, bietet es sich an, die Ex-Kunden zu betrachten. Ex-Kunden definieren sich in dem Fall als ehemalige Kunden, die alle ihre Abos gekündigt haben.
Schritt 2: Profil erstellen
Auf diese Analysegruppe wird die Predictive Analytics Methode des Profilings angewendet. Ein Profil dient der Beschreibung von Personen anhand von Merkmalen in Form von Eigenschaften oder Verhalten. Dabei wird die zu analysierende Menge mit einer Basisgruppe (oftmals die Grundgesamtheit) verglichen. Dazu werden mehrere Variablen hinzugezogen, die im Modell betrachtet werden sollen. Das Profil zeigt die Durchdringung und Signifikanz dieser Variablen für die Analysegruppe auf. In der Scorecard wird die Durchdringung durch das Histogramm und die Signifikanz anhand der Farbe (rot=hoch) abgebildet.
Schritt 3: Scoring der Basisgruppe
Beim anschließenden Scoring wird aus dem Profil ein Scorewert in Form einer abgeleiteten Variable erstellt. Diese Variable beschreibt die Ähnlichkeit zu den Merkmalen der Analysegruppe. Je höher dieser Wert ausfällt, desto höher ist die Ähnlichkeit. Das heißt, es gilt die sogenannten Lookalikes zu finden. Der Begriff kann mit „ähnlich aussehend“ übersetzt werden und beschreibt eine mit statistischen Methoden ermittelte Gruppe, die hinsichtlich gewisser Merkmale einer anderen Gruppe besonders ähnlich ist.
Damit sich die Lookalikes mit den höchsten Scores einfach selektieren lassen, wurden die Scores in Quantile eingeteilt. In unserem Beispiel selektieren wir aus der Basisgruppe die Top 5 Prozent der Datensätze mit den höchsten Scorewerten.
Schritt 4: Abgleich mit Analysegruppe
Damit auch nur das Potenzial für die späteren Maßnahmen eingesetzt wird, erfolgt noch ein Abgleich mit der Analysegruppe. Dies lässt sich anschaulich mit einem Venn-Diagramm visualisieren. Die 24.653 Datensätze sind die Top 5 Prozent der aktiven Kunden, die unserer Analysegruppe am ähnlichsten sehen und potenziell am meisten gefährdet sind abzuwandern. Das Schnittsegment in der Mitte enthält die Datensätze, die in der Analysegruppe enthalten und bereits zu Ex-Kunden geworden sind. Hier kämen die Präventionsmaßnahmen zu spät.
Schritt 5: Visualisierung relevanter Merkmale
In unserem Dashboard lassen sich die Merkmale der verschiedenen Gruppen auf einer Seite übersichtlich zusammenbringen und mit anderen Churn-Klassifizierungen interaktiv vergleichen. Beispielsweise sehen wir auf den ersten Blick, dass die am meisten gefährdeten Kunden hauptsächlich im Westen der Republik wohnen, wenige Abos abgeschlossen haben und einen vergleichsweise geringen Life-Time-Value (LTV) aufweisen.
Weitere Churn-Signale, die aus vorhandenen Transaktionsdaten abgeleitet werden könnten, können Newsletter Engagement, Beschwerden, Schnäppchenkäufe, Retouren-Rat usw. sein.
Schritt 6: Präventionsmaßnahmen ergreifen
Zu guter Letzt müssen die analytischen Ergebnisse in Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden. Die Maßnahmen lassen sich wie folgt untergliedern:
• Belohnung:
Durch Incentives wird eine Fortsetzung der Kundenbeziehung belohnt (z.B. Coupons, Sonderrabatte, Geschenke)
• Verlustausgleich:
Ausgleich eines erlittenen Schadens
• Kommunikation:
- Erläuterung der Sinnhaftigkeit der Kundenbeziehung
- Auslassen von Kommunikation, um keine schlafenden Hunde zu wecken
• Barrieren:
Hürden, die eine Kündigung des Kunden erschweren (z.B. längere Kündigungsfristen, umständliche Prozesse)
In den meisten Fällen werden die Verkäufer auf Belohnung setzen. Interessanterweise kann aber das Nicht-Kommunizieren ebenfalls eine wirkungsvolle Strategie sein – besonders bei den Kunden, die eigentlich mal irgendwann kündigen wollen, dies aber bislang noch nicht gemacht haben. Das kommt häufiger vor, als man denkt. Wie viele Verträge gibt es, die man eigentlich nicht mehr braucht und mal kündigen müsste? Aber man tut es nicht aus Faulheit und weil das Abo vielleicht ohnehin nur 5 € im Monat kostet. Und wenn man daran denkt, gibt es gerade immer etwas Wichtigeres zu tun. Ein Kontakt durch den Verkäufer könnte dann zum Anlass genommen werden, eine Kündigung tatsächlich auszusprechen.
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