Pareto-Analyse im Marketing – 5 Beispiele aus der Praxis
23 Nov. 2020 | von Kristina Boschenriedter
Was ist das Pareto-Prinzip?
Das Pareto-Prinzip geht auf den italienischen Ingenieur, Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto (1848-1923) zurück. Bei einer Untersuchung der Grundverteilung in Italien 1906 fand er heraus, dass ca. 20% der Bevölkerung ca. 80% des Landes besaßen. Darauf basierend empfahl er, dass die italienischen Banken sich primär um die 20% der Reichen kümmern, und nur einen kleinen Teil ihrer Zeit den verbleibenden 80% der Bevölkerung widmen sollten.
Dieser Vorschlag ist zwar Geschichte, das Prinzip aber geblieben. Im Allgemeinen besagt das Pareto-Prinzip, dass 80% der Ergebnisse mit 20% des Aufwands zu erreichen sind. Daher wird das Pareto-prinzip auch oft als 80/20 Regel bezeichnet. Dem zugrunde liegt das statistische Phänomen, dass eine kleine Anzahl von hohen Werten mehr zur Gesamtmenge beiträgt als eine hohe Anzahl von kleinen Werten. Das Prinzip findet in verschiedensten Geschäfts- und Alltags-Situationen Anwendung. Hier einige oft genannte Beispiele:
Beispiele für Pareto-Verteilungen
Nutzung von Lagerfläche:
• Oftmals beanspruchen 20% der Produkte 80% der Gesamtfläche
Produktivität:
• Bei richtiger Planung und Priorisierung lassen sich mit 20% des Aufwands 80% der Arbeit erledigen
Bevölkerungsdichte:
• 80% der Bewohner leben auf 20% der verfügbaren Landmasse
Zeitmanagement:
• 80% der Arbeit sollten mit 20% der Zeit erledigt werden
Nutzung Kleiderschrank:
• 80% der Zeit trägt man dieselben 20% der verfügbaren Kleidungsstücke
Autounfälle:
• 80% der Unfälle werden von 20% der Fahrer verursacht
Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich bei der 80/20 Verteilung nur um eine Beobachtung, nicht aber um ein Naturgesetz handelt. Demnach ist auch die Summe von 100 nicht zwingend, da die beiden verglichenen Aspekte nicht Bestandteil derselben Grundgesamtmenge sind. Es sind beliebige andere Verteilungen möglich. So können beispielsweise 60% des Aufwands zu 90% des Ergebnisses führen, oder so trivial es auch scheint - 100% des Aufwands sind nötig, um 100% des Ergebnisses zu erreichen. In der Betriebswirtschaft wird das Pareto-Prinzip vor allem angewendet, um die Frage „Wie kann ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst großen Nutzen erreichen?“ zu beantworten und Aktivitäten entsprechend zu priorisieren. Mit einer Pareto-Analyse wird somit untersucht, welche Aspekte des Unternehmensalltags den größten Mehrwert bieten. Auch Marketer verwenden gerne dieses Tool, um neue Erkenntnisse für zukünftige Aktivitäten und Strategien zu gewinnen. Im Folgenden stellen wir die Vorgehensweise und einige Beispiele aus der Praxis vor.
Vorgehensweisen für die Pareto-Analyse
Zunächst sollte die Fragestellung und die damit zu untersuchende Kenngröße festgelegt werden. Das kann z.B. der Jahresumsatz, der Gewinn, die Anzahl der Fehlermeldungen oder die Anzahl der Beschwerden sein. Ausgehend von der Fragestellung wird die weitere Vorgehensweise gewählt.
Bei Apteco unterscheiden wir zwischen zwei Arten – der kategorischen und der individuellen Pareto-Analyse.
• Bei der kategorischen Pareto-Analyse wird untersucht, wie stark bestimmte Kategorien ausgeprägt sind, und das Ergebnis beeinflussen. Die Kategorien können z.B. einzelne Produkte oder Produktgruppen sein. Damit lässt sich schnell feststellen, welche Kategorien maßgeblich das Geschehen beeinflussen.
• Die zweite Variante, die individuelle Pareto-Analyse, basiert auf der Annahme der gleichmäßigen Verteilung. Hier wird die Grundgesamtheit, z.B. alle Kunden, in gleich große Gruppen eingeteilt. Die Anzahl der Gruppen kann dabei beliebig bestimmt werden. Bei 10 Gruppen entspräche dann jede Gruppe einem Anteil von 10% des gesamten Kundenbestands. Damit lassen sich z.B. Fragen beantworten wie „Welchen Umsatzanteil generieren die ersten 10% meiner Kunden?“.
Dargestellt wird das Ergebnis der Pareto-Analyse als Säulendiagramm. Bei der kategorischen Analyse sind die Säulen von links nach rechts absteigend sortiert, sodass die bedeutendsten Kategorien links stehen. Bei der individuellen Analyse sind die Säulen von links nach rechts aufsteigend sortiert, da sich die untersuchte Menge jeweils kumuliert. Darüber zieht sich eine Linie, die den kumulativen, prozentualen Anteil der Kategorien bzw. der Bänder am Gesamtwert repräsentiert.
5 Praxis-Beispiele
Das klingt im ersten Moment etwas abstrakt, daher schauen wir uns das Ganze jetzt anhand von fünf verschiedenen Beispiel-Fragestellungen an:
1. Welches sind meine Top-Produkte und welchen Anteil haben sie an den Bestellungen?
Unser erstes Beispiel zeigt eine kategorische Pareto-Analyse. Dargestellt wird der Anteil verschiedener Sportprodukte an den Gesamtbestellungen. Wir sehen, dass nur 6 Produktkategorien, die einem Anteil von ca. 3% aller Produktkategorien entspricht, für knapp 45% der gesamten Bestellungen verantwortlich sind. Dies ermöglicht uns klar zu priorisieren, was z.B. den Lagerbestand und die Verfügbarkeit dieser Produkte angeht. Gleichzeitig kann dadurch aber auch zusätzliches Bewerbungspotenzial für aktuell nicht so populäre Produkte identifiziert werden.
Hinweis: Bei dieser und allen folgenden Darstellungen wurden Beispiel-Daten aus unserer Apteco Demo-Datenbank verwendet, daher handelt es sich hier um rein fiktive Darstellungen zu Veranschaulichungszwecken.
2. Welches sind meine Top-Kampagnen und welchen Anteil haben Sie am Gewinn?
Bei unserem zweiten Beispiel handelt es sich ebenfalls um eine kategorische Pareto-Analyse. Hier haben wir uns angesehen, welche unserer Marketing Kampagnen 2019 den größten Beitrag zum Gewinn geleistet haben. Ganz klar an der Spitze - die Weihnachtsaktion. Obwohl insgesamt 20 Kampagnen durchgeführt worden sind, hat allein diese Kampagne einen Anteil von 48% am Gewinn. Die Weihnachtsaktion ist also auch im nächsten Jahr definitiv ein Muss – die Analyse zeigt uns aber auch, dass die vier zuletzt genannten Kampagnen wie z.B. die Fitness Days keinen Beitrag zum Gewinn geleistet haben. An dieser Stelle lohnt es sich zu prüfen, woran es gelegen hat – waren die Kosten ggf. zu hoch, wurde die falsche Zielgruppe angesprochen oder hat das Timing nicht gestimmt? Hier können wir auch vom Erfolg der Top-Kampagnen lernen – was hat dort besonders gut funktioniert? Voraussetzung für diese Analyse ist, dass jeder Umsatz und alle Kosten einer Kampagne zugeordnet werden können.
3. Welcher Anteil meiner Kunden sorgt für welchen Anteil am Gesamtumsatz?
Bei diesem Beispiel nutzen wir eine individuelle Pareto-Analyse, um zu bestimmen, welches unsere Top-Kunden mit den höchsten Umsätzen sind. Hierzu wurde der Gesamtumsatz in 10 gleich große Gruppen eingeteilt. 10% unserer Kunden generieren einen Umsatz, der höher ist als 1966,70 € pro Jahr. Die Grafik zeigt außerdem, dass 30% der Kunden bereits einen Anteil von ca. 60% am Gesamtumsatz haben. Als Top-Kunden sollte diese Kundengruppe besondere Aufmerksamkeit erhalten, z.B. in Form einer separaten Kundendienst-Hotline oder höherwertigen Materialien bei der Marketing Kommunikation.
4. Gibt es bestimmte Kunden, die sich besonders häufig beschweren?
Das nächste Beispiel stammt aus dem B2B-Kundendienst. Anhand einer individuellen Pareto-Analyse haben wir hier die Firmenkunden in Gruppen eingeteilt, um herauszufinden, ob es Kunden gibt, die sich besonders häufig beschweren. Hierbei konnten wir feststellen, dass 25% der Kunden für 70% der Beschwerden verantwortlich sind. Außerdem zeigte sich, dass nur 50% der Kunden sich überhaupt beschweren. Eine mögliche Maßnahme könnte es hier sein, bei allen Kundengruppen mit besonders vielen Beschwerden nochmals die Ursachen zu untersuchen und zu prüfen, ob die Probleme zufriedenstellend behoben worden sind, um so die Anzahl der Beschwerden nachhaltig zu reduzieren und Abwanderungen vorzubeugen.
5. Auf welche der abwanderungsgefährdeten Kunden sollte ich mich besonders fokussieren?
Im letzten Beispiel beschäftigen wir uns mit abwanderungsgefährdeten Kunden. Im Vorfeld haben wir hierzu ein Profil von typischen Abwanderern erstellt und mithilfe eines Scores bewertet, wie wahrscheinlich eine Abwanderung (Churn) bei jedem Kunden ist. Die genaue Vorgehensweise hierfür erläutern wir in diesem Blog. Wir haben unsere Kunden nun als „nicht gefährdet“, „neutral“, „gefährdet“ und „stark gefährdet“ klassifiziert. Wir fokussieren uns auf die gefährdeten und stark gefährdeten Kunden.
Da oftmals nur begrenzte Ressourcen für Churn Prevention zur Verfügung stehen, betrachten wir im nächsten Schritt, welche der gefährdeten Kunden einen besonders großen Anteil am Umsatz haben. Als Kenngröße haben wir in diesem Zusammenhang allerdings nicht den Umsatz gewählt, sondern den Customer Lifetime Value (LTV). Im Gegensatz zum reinen Umsatz lassen sich hiermit auch zukünftig zu erwartende Umsätze einbeziehen. Im Beispiel haben wir als Kenngröße den LTV für das nächste Jahr gewählt. Es zeigt sich, dass 50% der abwanderungsgefährdeten Kunden für knapp 78% des Umsatzes in dieser Gruppe verantwortlich sind. Sofern keine Ressourcen vorhanden sind entsprechende Maßnahmen für alle abwanderungsgefährdeten Kunden zu realisieren, sollten wir uns daher auf diese 50% konzentrieren.
Dies waren nur einige von vielen Möglichkeiten, die Pareto-Analyse in der Marketing Praxis anzuwenden. Sie würden die Pareto-Analyse gerne direkt mal in der Praxis ausprobieren? In unserer kostenlosen Testversion stehen Ihnen beide Varianten der Pareto-Analyse zur Verfügung und Sie können unverbindlich mit unserer Demo-Datenbank verschiedenste Analysen durchführen.
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